Heute habe ich mich gefragt, ob das Sanatorium auch dann existiert, wenn keiner von uns hinsieht. Ob die Gänge weiter atmen. Die Fenster im selben Rhythmus beschlagen. Die Zettel an den Türen nach wie vor verrutschen.
Es ist ein seltsamer Gedanke: Ein Ort, der nur lebt, wenn wir ihn bezeugen.
Und doch glaube ich manchmal, dass es so ist. Denn immer, wenn ich allein durch den Hof gehe, habe ich das GefĂĽhl, jemand anders ist schon vor mir dort entlanggelaufen – und hat seine Spuren sofort wieder gelöscht.
Ich habe mir angewöhnt, kleine Marker zu setzen: einen Stift auf die Heizung legen. Eine Münze unter den Teppich. Einen Krümel neben den Aschenbecher. Am nächsten Tag sind sie nie da.
Es ist, als wĂĽrde das Haus selbst alles einsammeln, um seine eigene Crhonik zu schreiben.
Vielleicht bin ich deswegen hier.
Nicht, um geheilt zu werden.
Sondern um zu prĂĽfen, ob Erinnerungen standhalten, wenn man sie aufschreibt.
Bisher ist das Ergebnis zwiespältig: Die Zettel bleiben, aber die Bedeutungen verrutschen.
Machmal lese ich meine eigene Handschrift und erkenne sie nicht.
Manchnal finde ich Passagen, die ich nie geschrieben habe.
Dann frage ich mich, ob nicht doch jemand anderes meine Hand gefĂĽhrt hat.
Das Sanatorium ist ein leiser Dieb.
Es nimmt uns, was wir nicht festhalten.
Und gibt uns stattdessen Spiegel.
Heute habe ich in einen dieser Spiegel kurz gelächelt.
Und das war genug.
– Jorah
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